Ich lese gerade »Unsere Welt neu denken« von Maja Göpel. Sie beschreibt darin ein Erlebnis beim WTO-Gipfel im mexikanischen Cancún. Dort fand die Konferenz der WTO statt, der Welthandelsorganisation. Minister aus bald 150 Ländern verhandeln hier regelmäßig, um den Welthandel zu befördern. Zölle sind schlecht, Freihandel ist gut, so lautet ungefähr das Credo der WTO. Sie steht für das, was wir unter Globalisierung verstehen.
Das Treffen der Minister wird durch Zäune weiträumig abgeriegelt, um die Protestierenden fernzuhalten. Ein Demonstrant stieg auf den Absperrzaun und rammte sich vor aller Augen ein Messer in die
Brust. Maja war geschockt. Wie verzweifelt muss dieser Mensch gewesen sein.
Der Name des Mannes war Lee Kyung Hae. Er war 56 Jahre alt, ein Bauer aus Südkorea, eine Lichtgestalt für nachhaltige Landwirtschaft. Südkorea ist natürlich auch Mitglied der WTO und hat gewiss
vom Freihandel profitiert, musste aber auch die Grenzen für Rindfleischimporte öffnen. So drückte billiges australisches Fleisch aus Massentierhaltung die Preise. Damit konnte Lee Kyung Hae nicht
konkurrieren. Wie viele andere Landwirte verlor er seinen Hof und sein Land an die Bank. Immer wieder habe Lee Kyung Hae auf das Schicksal der Bauern aufmerksam gemacht, schreibt Maja. Sein
Selbstmord vor den Augen der Presse war seine letzte Verzweiflungstat, um auf die Missstände hinzuweisen.
Umwelt- und Sozialstandards werden durch die WTO so gut wie gar nicht reguliert. Ich spreche mich ja regelmäßig für höhere Standards aus. Um diese durchzusetzen – weltweit – wäre die WTO der
ideale Ort. Theoretisch.
Es ist leider so, dass unbegrenzter Freihandel nicht grundsätzlich und für alle gut ist. Es gibt zig Beispiele dafür, dass in manchen Ländern ganze Branchen absterben, wenn es immer nur um
»möglichst billig« geht. Und deswegen finde ich es gut, dass TTIP nicht verabschiedet wurde. Und auch CETA oder Mercosur sind aus meiner Sicht nur zu befürworten, wenn diese Abkommen sozial
gerecht sind und höhere Standards für den Umweltschutz durchsetzen.