Der Fahrplanmechanismus

Heute mal ein etwas längerer Blog. Kurzfassung: Die Wirtschaft kann sich ganz doll verändern, aber man muss ihr Zeit und Perspektive dafür geben. Ich spreche hier von Fahrplänen. Diese Form der Steuerung, Planung, Lenkung oder wie auch immer man das nennen mag, ist vornehme Aufgabe der Politik.

Es war einmal eine Bergbauregion, die war sehr wohlhabend. Und die Kohlekumpel waren sehr stolz auf ihre Arbeit. Sie haben das Wirtschaftswunder möglich gemacht und konnten mit dem Verdienst ihre Familien ernähren.
Doch auf den Weltmärkten war Steinkohle viel billiger zu bekommen. Flöze in 1000 Metern Tiefe abzutragen, war einfach zu aufwendig, denn in Australien wurde die Steinkohle wie bei uns die Braunkohle abgetragen, mit den Schaufelradbagger im Tagebau.


Und niemand wollte noch die Kohle der stolzen Bergbauer haben. Da aber so viele Menschen ihren Job verlieren würden, wenn jetzt nur noch die billige Importkohle verbrannt würde, führten Politiker den Kohlepfennig ein. Es war ein Preisaufschlag auf jede Kilowattstunde Strom, die in Deutschland verbraucht wurde. Ein gewaltiger Akt der Solidarität mit den Kumpeln aus dem Pott. Über zwanzig Jahre ging das so, dann wurde er zur verfassungswidrigen Sonderabgabe erklärt.


Anfang der 1960 Jahre waren fast 600 000 Menschen im deutschen Steinkohlebergbau beschäftigt. Über 800 000 Jobs hängen heute am Auto. Die mentale und strukturelle Abhängigkeit ist beiden Fällen vergleichbar. Auch der Automobilbau prägt die sozial-kulturelle Identität ganzer Regionen. Kommt es zu einem drastischen Einbruch der Nachfrage, verlieren in kurzer Zeit Zehntausende ihre Anstellung. Daher ist es wichtig, rechtzeig und entschlossen die Wende einzuleiten.


Die zurückliegenden Erfahrungen mit der Energie- und Steinkohlewirtschaft, aber auch in der Landwirtschaft zeigen, dass selbst tiefgreifende Strukturveränderungen möglich sind, wenn die Menschen Zeit haben, sich darauf einzustellen. Genau darauf basiert der Mechanismus von Fahrplänen, welche im Konzept der Ökoroutine eine wichtige Rolle spielen.


In der Politik hat man damit bereits viele positive Erfahrungen gesammelt. Neben dem Ausstiegsfahrplan für Steinkohlebergbau gibt es zum Beispiel einen Fahrplan für den Atomausstieg. Auch das Ende der Milchquote kam nicht plötzlich, sondern schrittweise. Und jetzt gibt es einen Ausstiegsfahrplan für Kohlestrom.


Und jetzt brauchen wir einen Fahrplan für das Ende des Verbrennungsmotors. Es ist nicht unrealistisch, dass im Jahre 2033 nur noch emissionsfreie Pkw zugelassen werden. Bis dahin hätte die Branche 13 Jahre Zeit, den Transformationsprozess einzuleiten. Volvo scheint sich auch ohne Druck darauf einzulassen. Der Konzern hat angekündigt, von 2019 an nur noch Elektro-Autos und Hybride zu entwickeln. Dasselbe habe ich neulich von VW gehört, der Verbrenner wird nicht weiterentwickelt.


Die bereits existierende EU-Vorgabe von 95 Gramm CO2 je Kilometer – sie gilt  ab 2020 – müsste nur schrittweise verringert werden. Beschlossen sind schon 60 Gramm, aber leider erst für 2030. Das ist zu langsam und müsste bereits ab 2024 zum Standard werden.

 

Eine weitere Zwischenstation könnte 30 Gramm im Jahr 2029 sein. Das Produkt ändert sich. Der Kunde muss sich keine Gedanken darüber machen, ob der gewünschte Wagen dem Klima schadet. Das tun ohnehin nur wenige Käufer.


Die vorgeschlagenen Werte, 60 und 30 Gramm, kann man sowohl als Standard oder als Limit bezeichnen. Mit beiden Begriffen operiert das Konzept der Ökoroutine in Kombination mit dem Fahrplanmechanismus. Das Ende des Steinkohlebergbaus im Jahr 2018 kann dafür als Vorbild dienen.