Von Dagmar Penzlin
»Es ist zu spät!« Mein Nachbar tritt missmutig gegen den Zaun. Wir sprechen im Dürresommer 2018 über den Plastikmüll, in dem unsere Welt zu versinken droht. Ein Thema, das mich seit Sommer 2017 intensiv beschäftigt.
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Ich möchte etwas tun und all die guten Strategien unter die Leute bringen, die ich bereits entdeckt habe: Es gibt Wege, plastikfreier zu leben. Nachhaltiger. Mit wesentlich weniger Müll überhaupt. Für mich auch ein Schritt weg von dem Ohnmachtsgefühl (»Oh Gott, was bringt das, wenn ich das jetzt anders mache?«) hin zum bewussten Hinterfragen bisheriger Routinen und einfach Anders-Machen.
Es ist auch eine Reaktion auf all die Schockmomente zuvor: Warum ist Mikroplastik in Kosmetik in Deutschland nach wie vor erlaubt, wo doch die Kläranlagen diese Mini-Kunststoff-Partikel nicht rausfiltern können? (Gut, dass es mikroplastikfreie Naturkosmetik gibt!) Warum funktioniert das Plastik-Recycling nicht umfassend? Warum diese Müll-Exporte, an dessen Ende unendlich viel Plastikmüll in Flüssen und schließlich in den Weltmeeren landet?
Ganz abgesehen von der Energie-Verschwendung und den gesundheitlichen Gefahren, die mit all diesem Plastik-Quatsch verbunden ist. So bewusst mir immer war, dass Politik Menschenwerk ist und
dadurch fehlbar sein kann – es ist schwer ernüchternd zu erleben, wie wenig der Schutz unserer Lebensgrundlagen offenbar politische Entscheidungen bestimmt. Bisher jedenfalls.
Bei Facebook lerne ich im Spätsommer 2018 Kirsten kennen, als sie sich in einer lokalen Gruppe über wilde Müllberge in unserer Samtgemeinde aufregt. Wenig später erfahre ich von
Plastikfrei-Stammtischen in Süddeutschland und bin elektrisiert: Sich zusammensetzen, über eigene Erfahrungen reden und Ideen entwickeln, wie man noch mehr Menschen begeistern kann für ein
plastikfreieres, müllfreieres Leben – das könnte funktionieren auch hier in der Nordheide.
Kirsten ist bereit. So sind wir schon mal zu zweit. Als Medienfrau ist mir klar: Wir brauchen die Lokalpresse. Und die greift das Thema auf. Zum Auftakt im Februar 2019 erscheinen in allen drei
Lokalzeitungen große Artikel. Trotzdem sind wir überrascht, als zum ersten Stammtisch-Treffen gleich rund 30 Menschen auftauchen. Junge, mittelalte, im Unruhestand befindliche. Es sind erfahrene
Plastik-Sparerinnen da, aber auch Leute, die jetzt einfach anfangen wollen.
Unser Mantra: Jeder Beitrag zählt – es geht nicht um die reine Lehre! An die Vorstellungsrunde schließt sich ein Mini-Impulsvortrag zu den Fünf R der Zero-Waste-Bewegung an, die man wunderbar aufs Plastikthema anwenden kann. Dieser erste Abend ist sehr ermutigend.
Die Resonanz ist bis heute groß: Die Stammtisch-Treffen sind sehr gut besucht – es gibt eine weiter wachsende Facebook-Gruppe und einen Newsletter. Jede Woche montags sammelt ein Stammtisch-Mitglied mit anderen Müll – mittlerweile auch unterstützt von Schulklassen. Zwei weitere Stammtische haben sich im Umfeld gegründet.
Wir werden angefragt für Info-Stände, Impulsvorträge, Seminare und kooperieren mit der Kreisvolkshochschule; die lokale Bürgerstiftung unterstützt uns bei der Raummiete. Wir gründen gerade einen
Verein und hoffen, dass wir den Landkreis überzeugen können, dass es bald wie in ganz Bayern offiziell grünes Licht gibt für klimafaires Einkaufen mit eigenen Gefäßen an Frischetheken.
Es ist viel Extra-Arbeit, doch was soll’s?! Die Bürgerin erhebt sich und geht voran: Ich denke an meine drei Kinder und nachfolgende Generationen, an die Natur und eine gute Zukunft auch für mich persönlich
Wenn man mich in 20 Jahren fragt, was hast Du damals um 2020 gemacht, möchte ich was zu erzählen hab
Mehr zum Stammtisch unter »Gut leben ohne Plastik Nordheide«