Radtour mit dem ADFC

Es ist ja in der Umweltpolitik ein ständiges auf und ab. Gestern hatte ich wieder ein Erlebnis der frustrierenden Art. So was zieht mich dann echt runter - zumindest für einige Stunden oder macht zumindest nachdenklich.


Also, es war folgendermaßen: Gestern nahm ich an einer ADFC – Fahrradtour teil. Ich habe das zum ersten Mal gemacht. Für den Fahrrad Club ist das ganz normal, in der Zeitung werben sie für einen Treffpunkt und dann geht es los. Eine Tour über 35 km Berg auf Berg ab war geplant. Natürlich kommt man so mit Leuten ins Gespräch.


Naja, wie soll ich sagen, irgendwie habe ich gedacht, hier bin ich unter Gleichgesinnten. Diese Leute vom ADFC wollen doch alle eine zukunftsfähige Mobilität: Mehr Platz für Radfahrer, weniger Autos in der Stadt und breite Radwege. Ich hatte mir vorgenommen, am Ende der Radtour eine Mitgliedschaft zu beantragen.


Dann fragte mich Pita: »Sag mal, wenn du so politisch aktiv bist: Könnt Ihr nicht mal einen P&R Parkplatz im Stadtteil Hellern einrichten?« Wir haben dann eine Weile aneinander vorbei geredet, bis klar wurde, Pita wünschte sich zwar einen Parkplatz, um den Wagen vor der Stadt abzustellen, aber möchte dann nicht mit Bus oder Bahn zur Innenstadt weiter, sondern mit einer Fahrgemeinschaft.


Das ist ja zunächst einmal recht löblich, Fahrgemeinschaften. Nur, die können dann ja überall parken und die brauchen keinen speziellen Platz dafür und vor allen Dingen keinen Bus oder Bahnanschluss. Das ist ja gerade das Besondere am Park & Ride (Ride on a Bus).


Ich habe dann gesagt: »...also zum Beispiel von Melle kommt man super schnell mit der Bahn in die Stadt. Also dort am besten den Wagen abstellen und dann weiter mit der Bahn.

 

Pita: »Nee, biste verrückt? Viel zu umständlich!« Dann stellte sich heraus, sie pendelt täglich zwischen Bielefeld und Osnabrück. Da meinte ich dann »aber da könntest du dann doch mit der Bahn fahren!«.


Häh? Etwas absurderes hätte ich offenbar gar nicht sagen können. Pita fand das quasi unmöglich: »Der Zug fährt 1,5 Stunden, hin und zurück sind das 3 Stunden! »Nee, das geht überhaupt nicht«. Nun, so kann man das sehen. Aber ich war irritiert, dachte es wäre nur eine Stunde Fahrtzeit.

 

Pita wolle mit mir wetten...hätte ich das mal gemacht. Als ich nachguckt habe, waren es 55 oder 61 Minuten. Je nach Verbindung. Es gibt also auch einen guten Takt. Mit dem Auto braucht man 45 Minuten, wenn es ideal läuft. Sobald die Autobahn 33 fertiggestellt ist, geht das natürlich schneller....dann werden noch weniger mit der Bahn fahren.


Tja, da war Pita überrascht. Aber nicht, dass sie dann nochmal ins Nachdenken kam. Nein, jetzt nannte sie verschiedene Gründe, warum das trotzdem nicht geht. »Wie komme ich denn vom Bahnhof weg« usw. Das wollt ich dann auch nicht weiter erörtern. Das ist ja immer die gleiche Leier. An einer Mitgliedschaft war ich dann schon weniger interessiert.


Einmal mehr zeigt sich: Es ist den Menschen unangenehm, wenn ihre Routinen von anderen in Frage gestellt werden. Sie denken: ›Ich mache das jetzt schon ewig und drei Tag so und jetzt soll das plötzlich falsch sein. Nee. Da könnte ja jeder kommen‹. Das ist bei mir nicht anders. Ein normaler Reflex.


Später sprach ich Wolf, auch beim ADCF sehr aktiv, auf die Zugverbindung Bielefeld und Osnabrück versus Auto an. Kaum zu glauben, es kam die gleiche Reaktion. Diese Verbindung sei eine Zumutung! Zwei Stunden! Die imaginäre Fahrzeit wurde immer Länger....


Ich: »Macht sich der Verein denn nicht für Nachhaltige Mobilität stark? Weniger Autos in der Stadt usw.? Wie soll das denn passieren, wenn nicht mal ihr, eine gute Zugverbindung nutzt?« Wolf: »Es ist doch alles aufs Auto ausgelegt. Da liegt das Problem. Es macht einfach keinen Sinn, mit Bus und Bahn zu fahren«.


Mich hat das ziemlich frustriert. Zumindest an dem Abend ging mir das nicht mehr aus dem Kopf. Offenbar haben weder Pita noch Wolf in letzten zehn Jahren einmal nachgeschaut, wie lange der Zug tatsächlich braucht.


Und dann gibt es da noch Jana und andere Leute, die in Osnabrück wohnen und in Bielefeld arbeiten. Die nutzen die Bahnfahrt, um zu lesen oder am Notebook zu arbeiten. Manche haben an beiden Bahnhöfen ein Rad deponiert, einige nutzen ein Klapprad. Geht anscheinend doch.


Mich hat erschüttert, wie resolut Pita und Wolf das Bahnfahren abgelehnt haben. Selbst die Tatsache, dass man mit dem Zug kaum länger fährt, hat kein Nachdenken ausgelöst. Wo soll das hinführen? Wenn selbst passionierte Radfahrer nicht zum Umdenken bereit sind, nicht mal in Erwägung ziehen wollen, ihre Routine zu verändern.

 

Pita und Wolf werden wohl nur dann in die Bahn steigen, wenn das definitiv bequemer, schneller und billiger ist. Da wären wir dann wieder bei der Ökoroutine: Verhältnisse ändern Verhalten.


Da habe ich dann wieder gedacht, es ist unfassbar schwer, die Mobilitätskultur unserer Gesellschaft zu verändern. Das dauert alles viel zu lange. Der Verkehrssektor ist in Deutschland der einzige Bereich mit wachsenden CO2-Emissionionen. Während Industrie, Stromerzeugung und Wohnen deutlich einsparen konnten, hat sich die Auto- und Lkw-Situation weiter verschlimmert. In den letzten zehn Jahren sind nochmal knapp fünf Millionen Autos zusätzlich auf die Straßen gekommen. Die Städte sind verstopft und ächzen unter der Last.


Die Bilanz ist also niederschmetternd. Dennoch ist mein Motto: »Nicht aufgeben!« Ich werde nicht hinschmeißen. Denn ich sehe auch viele Städte, die den Strukturwandel geschafft haben. Wo die Zahl der Autos dramatisch zurückgegangen ist. Städte, die Jahr für Jahr schöner und attraktiver für Radfahrer*innen werden. Es gibt viele Menschen, die dafür kämpfen. Ich bin nicht allein.