Bedrückende Freiheit

Was mich in Leipzig gleich bei Ankunft beeindruckt hat, war die Bahnhofshalle. Ich erinnere mich noch gut an die gewaltige Baustelle in den 1990er Jahren. In der riesigen Baugrube sahen die Bagger richtig klein aus. Diesmal bin ich erstmals durch die Passage gezogen, auch in Erinnerung an den seinerzeitigen Umbau. Zu meiner Überraschung hatte rund die Hälfte aller Geschäfte geschlossen. Viele Inhaber haben offenbar die Erfahrung gemacht, dass sich die Öffnung am Sonntag nicht rechnet, obwohl gerade an diesem Tag Hochbetrieb im Bahnhof herrscht.


Dieses Beispiel zeigt doch ganz klar, dass der verkaufsoffene Sonntag in seiner radikal liberalisierten Version nicht tragfähig wäre. Er funktioniert nur, weil die Tage begrenzt sind. Die gesetzliche Vorgabe schafft Exklusivität. Im Sinne der Beschäftigten könnte man den Konsumsonntag auch gleich wieder ganz abschaffen. Niemand würde benachteiligt. Etabliert hat sich die Kaufanimation nur durch die gegenseitige Konkurrenz der Städte untereinander. Der Druck durch den Onlinehandel erscheint eher als Stützargument. Die bundesweiten Ketten habe darauf gedrungen, in der Hoffnung, die Menschen würden auf diesem Wege noch etwas mehr Geld für neue Klamotten und andere Dinge ausgeben, die sie nicht wirklich benötigen. Es gedeiht viel mehr die Motivation, alte aber noch erhalten Kleidung, Elektrogeräte oder Möbel vorzeitig zu entsorgen.


Insofern mag die Rechnung, dass Konsumsonntage die Umsätze der Geschäfte steigern, zumindest ein Stück weit aufgegangen sein – für die großen Filialisten. Kleine, lokale Geschäfte geraten durch die geweiteten Öffnungszeiten an ihre Kapazitätsgrenzen und werden schlimmstenfalls verdrängt. Viele reagieren durch eigene, kürzere Öffnungszeiten. Und so kommt es vor, dass manche Geschäfte bereits um 18:30 geschlossen haben, andere um 19:30 usw. Das ist zwar unheimlich liberal im Sinne des Einzelhandels. Für den Kunden ist es eher enttäuschend, wenn er beim anvisierte Händler vor geschlossenen Türen steht.


Einheitliche Öffnungszeiten sind daher effizient und effektiv. Effizient im Sinne von Quantität, weil die Regel zu einem optimierten Einsatz von Personal und Betriebskosten führt. Und effektiv, gedacht als Qualität, da sich flanierende Konsumenten in der Gewissheit wiegen können, dass alle Läden geöffnet sind und die Arbeitszeiten menschenfreundlicher wären. Zugleich würde etwas mehr Öko zur Routine werden. Denn alles, was den Konsumrausch einhegt, nützt den zukünftigen Generationen.